«Nun wollen sie auch noch die Mörder mit einem Staat belohnen», wettert Israels Aussenminister Gideon Saar am Holocaust-Mahnmal
Saar trifft erstmals seinen deutschen Amtskollegen Johann Wadephul in Berlin. Der Israeli nutzt die Kranzniederlegung im Stadtzentrum für einen Denkzettel – doch er schliesst mit versöhnlichen Tönen.
Deutschlands Aussenminister Johann Wadephul (links) mit Israels Aussenminister Gideon Saar am Holocaust-Mahnmal in Berlin.
Markus Schreiber / AP
An diesem Donnerstagvormittag ist der Himmel bedeckt über dem Berliner Holocaust-Mahnmal. Die mit Hunderten betongrauen Stelen bestückte Anlage ist menschenleer, auf zwei Stelen liegen Kränze. Der deutsche Aussenminister Johann Wadephul von der CDU und sein israelischer Amtskollege Gideon Saar halten davor inne.
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Wadephul trägt einen Nadelstreifenanzug und eine grüne Krawatte. Er sagt, er stehe hier «mit Scham und Entsetzen» über den Massenmord der Deutschen an den Juden Europas. Es wirkt wie an so vielen Gedenkveranstaltungen in Deutschland – bis Saar mit seiner Ansprache die Routine durchbricht.
Saar kritisiert jene Staaten, die wegen des israelischen Militäreinsatzes in Gaza «auf Israel Druck ausüben» und dem Land «mit Sanktionen drohen». Sie wüssten nicht, dass sich sein Land an sechs Fronten gegen den Jihadismus verteidige, so der 58-Jährige im schwarzen Anzug und mit roter Krawatte. Und nun, sagt er, wollten sie auch noch «die Mörder», die am 7. Oktober 2023 an der Grenze zu Gaza über tausend Israeli getötet, entführt oder vergewaltigt hatten, mit einem eigenen Staat belohnen.
Wadephul hört aufmerksam zu, verzieht nicht die Miene. Dabei ist sein Land in Saars Rede mitgemeint. Denn die Zweistaatenlösung mit einem Palästinenserstaat, der das Westjordanland und den Gazastreifen umfasst, ist seit Jahrzehnten eine Grundlinie der deutschen Nahostpolitik. Auch Wadephul hielt an dieser Maxime deutscher Politik bei seinem Antrittsbesuch in Jerusalem fest.
Gideon Saar und Johann Wadephul während der Pressekonferenz in Berlin.
Christian Mang / Reuters
Israel höre Deutschlands Sorgen zu Gaza, sagt Saar
Der deutsche Aussenminister sollte es nicht bei dieser einen Mahnung belassen. Der 62-Jährige sprach Ende Mai von einer «Zwangssolidarität» mit Israel, in die sich Deutschland nicht hineinzwingen lasse. Israel dürfe weder den Kampf der deutschen Regierung gegen Antisemitismus noch ihren Einsatz für Israels Sicherheit zur Kriegsführung in Gaza instrumentalisieren, sagte Wadephul. Dann dachte er im Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» darüber nach, Waffenlieferungen an Israel einzustellen, sollte Israel gegen Völkerrecht verstossen.
Die Israeli hatten Wadephuls Worte nicht kommentiert. Dennoch hat er mit seinen Wortmeldungen eine Grenze überschritten: Bislang äusserten deutsche Regierungsvertreter ihre Kritik vor allem hinter verschlossenen Türen. Zumal nicht einmal Wadephuls Vorgängerin Annalena Baerbock eine Vokabel wie «Zwangssolidarität» in den Mund nahm, die suggeriert, Israel erpresse Deutschland aufgrund seiner Geschichte.
Anders als bei der